Herbstbeginn: Jetzt sterben wieder viele Igel unter Autos

Igel auf Straße vor Autoreifen

Autoverkehr und Igel: Das unterschätzte Problem

Gesunde Igel sind ausgesprochen versteckt lebende Tiere, dennoch rücken sie zunehmend in den Blick der Öffentlichkeit. Der Grund dafür ist traurig: Es geht den Igeln schlecht und — darüber herrscht bei Fachleuten Einigkeit: Sie sind massiv bedroht.

Neben dem Insektenmangel und Lebensraumverlust als Hauptursache, drohen den Igeln weitere typische Gefahren. Eine davon ist der Autoverkehr.

Straßenopfer-Welpen Donny & Daisy
Straßenopfer-Welpen Donny & Daisy. Bild: Nicola Straub

Wie viele Igel jährlich „unter die Räder“ kommen, darüber liegen für Deutschland noch keine verlässlichen Zahlen vor. Die Schätzungen liegen zwischen 100.000 bis zu 1 Million Igeln, die pro Jahr dem Straßenverkehr zum Opfer fallen.

Dass die Schätzungen so weit differgieren, liegt zum einen daran, dass es bisher noch zu wenige zuverlässige Zählungen gibt. Es ist auch schwierig, vergleichsweise kleine Straßenopfer zu zählen — zum einen, weil kleine Kadaver leicht übersehen werden können (insbesondere bei schlimmem Zustand), aber auch weil kleine Körper häufig sehr schnell von der Straße geräumt werden, beispielsweise durch Füchse, Krähen und andere Aasfresser. Zudem verenden nicht alle getöteten Igel direkt an der Straße (s.u.). Und schließlich zählen gerade im Spätsommer zusätzlich zu den durch Überfahren getöteten Igeln, im Falle von Weibchen, auch die jeweils abhängigen Welpen (mittelbar) zu den Opfern des Verkehrs.

Die Straße als Igel-Magnet

Warum gerade im Spätsommer und Herbst Straßen geradezu zu Fallen für Igel werden, ist vergleichsweise weithin bekannt: Als Insektenfresser folgen sie den Spuren von Käfern und anderen Insekten. Diese wiederum wandern zu Flächen hin, die sich durch größere Wärme von der Umgebung abheben — und genau das sind die asphaltierten Straßen im Vergleich zu jetzt bereits kühler werdenden Parkflächen und Gärten.

Somit fühlen sich die Igel geradezu magisch von den warmen Landstraßen angezogen — und das wird zu ihrem Verhängnis.

Unerwartetes Verhalten: Plötzliches Losrasen

Viele Autolenker*innen haben zudem eine falsche Vorstellung vom Verhalten des Igels. So ist der Glaube weit verbreitet, dass Igel langsame Läufer sind und bei Herannahmen eingekugelt sitzen bleiben würden. Das ist aber nicht so!

Igel sind ausgesprochen flink unterwegs. Sie orientieren sich vor allem über ihr Gehör — ein besonderer Nachteil bei heransausenden Elektrofahrzugen. Nehmen Sie eine Annäherung wahr, so bleiben sie zunächst einfach still, denn zu allererst verlassen sie sich auf ihre Tarnung und hoffen, bei Unweglichkeit schlicht „übersehen“ zu werden. Bemerken oder vermuten sie aber, dass sie nicht verborgen bleiben werden (z.B. weil sie sich gar nicht unter deckendem Bewuchs befinden oder weil die Bedrohung sich zielgerichtet nähert), so geben Igel mitunter sehr plötzlich „Fersengeld“. Und erst sie wenn dann die Gefahr als direkt über sich wahrnehmen, gehen Igel in ihre bekannte, kugelige Abwehrhaltung.

Mittiges Überfahren ist auch tödlich

Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass Igel, die „mittig“ überfahren werden und somit den Reifen entkommen, dadurch überleben: Leider ist dies nicht der Fall, außer das Auto fährt sehr (!) langsam!

Denn bei einem mittigen Überfahren entstehen bei den Tieren durch die starken Luftwirbel unter dem Auto massive innere Verletzungen. I.d.R. sterben dadurch auch die Igel, die nicht direkt durch Reifen verletzt wurden, abseits der Straße in der Folge an ihren inneren Verletzungen qualvoll.

Igel-Unfälle vermeiden

Was also kann tun, um die Zahl der stacheligen Verkehrsopfer zu reduzieren? Hierfür gibt es mehrere Ansätze, die sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene umgesetzt werden können.

  1. Bewusstsein schärfen. Der wichtgste Punkt ist sicherlich, das Problem zu kennen. Wenn man in der Dämmerung oder Dunkelheit — insbesondere nach einem vergleichsweise sonnig-warmen Tag — auf einer Straße unterwegs ist, die von Grünflächen oder Gärten flankiert ist, sollte man sich bewusst machen: Jetzt und hier besteht „Igelgefahr“!
  2. Warnschilder. Die Straßenverkehrsämter unterstützen dies, indem sie entsprechende Warnschilder aufstellen. Solche Wildwechsel-Warnungen meinen nicht nur Rotwild und Fuchs, sondern durchaus auch Igel.
  3. Langsamer und bremsbereit fahren. Spurtet einer der kleinen Stachelkobolde erst einmal los, ist es extrem schwierig, einem Unfall mit ihm auszuweichen. Hier hilft nur, stets vorausschauend die Straßensäume im Blick zu haben, mit verringerter Geschwindigkeit zu fahren und sich jederzeit bremsbereit zu halten.
  4. Bremsen statt mittig zu überfahren. Bitte nicht einfach mittig überfahren und weiterfahren. Stets versuchen anzuhalten oder zumindest maximal herunter zu bremsen. Bitte dann auch aussteigen und das Tier von der Straße holen. Wurde es mit mehr als Schrittgeschwindigkeit mittig überrollt, es bitte zu einer erfahrenen Päppelstation oder einem Tierarzt bringen.
  5. Geschwindigkeitsbegrenzungen: Temporäre Geschwindigkeitsbegrenzungen in den Frühlings- und Herbstmonaten, wenn Igel besonders aktiv sind, helfen, die Unfallzahlen zu reduzieren. Für Kröten gibt es solche Aktionen bereits, für Igel wäre das eine gute Idee.
  6. Naturnahe Gärten, Grünflächen und Zufütterung. Je mehr Nahrung die Igel in ihrem direkten Revier finden, desto weniger weit müssen sie laufen und desto weniger attraktiv werden auch befahrene Straßen für sie.
  7. Aufklärung: Sensibilisierungskampagnen, die über die Gefahren des Straßenverkehrs für Igel informieren, können helfen, möglichst viele Autofahrer dazu ermutigen, langsamer zu fahren und besonders achtsam zu sein.

Fazit

Der Autoverkehr stellt eine erhebliche Gefahr für Igel dar und trägt zu ihrem Rückgang bei. Die Zahlen sind zwar unklar, aber in jedem Fall alarmierend. Deshalb ist es wichtig, das sich dieses Problems bewusst zu sein und sich beim Autofahren darauf vorzubereiten.

Dadurch können wir dazu beitragen, die Igelpopulation zu schützen und sicherzustellen, dass diese faszinierenden Tiere weiterhin einen Platz in unseren Gärten und Wäldern haben. Jeder einzelne Schritt zählt – sei es, langsamer zu fahren oder in der Dämmerung oder Nacht einfach nur vermehrt auch auf „kleine Tier-Silhouetten“ am Straßenrand zu achten. Das rettet dann evtl. nicht nur manchen Igel.

Kopfbild: Igel auf Straße vor Autoreifen. Bildkomposition: Nicola Straub; Ausgangsbilder von haeuptling, tookapic, flugjoshi (via Pixabay)

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