Winterschlaf schon zu Ende?

Igel in kahler Landschaft

Wir haben Mitte Februar und es ist warm — viel zu warm. Vielerorts wachen daher die Igel jetzt auf. „Zur Unzeit“. Denn es ist leider noch viel zu früh, die reguläre Winterschlafzeit dauert bis in den April, vereinzelt schlafen manche Igel sogar bis in den Mai hinein!

Betroffen sind sowohl freilebende Igel, als auch die betreut in Gehegen überwinternden Igel. Und so häufen sich solche Anfragen bei den Igelstationen:

Wir haben eine Igelin zur betreuten Überwinterung in ein Gehege in unserem Garten genommen. Nachdem sie zunächst eingeschlafen war, ist sie nun wach und macht nicht den Anschein, wieder einschlafen zu wollen. Können wir sie nicht einfach frei lassen jetzt? Zumal wir einige Tage in Urlaub fahren wollen, wäre das doch die beste Lösung, oder nicht?

Meine Antwort lautet: Nein, das ist leider KEINE gute Lösung!

Es ist noch zu früh. Der Igel würde jetzt keine ausreichende Nahrung finden. Und auch wenn außerhalb des Geheges weiterhin zuverlässig zugefüttert wird, ist es keine gute Idee, jetzt einen Igel frei zu setzen. Aus mehreren Gründen:

  1. Das Problem mit dem frühen Freilassen ist, dass die Tiere ja nicht vernünftig sind. Sie rennen los, suchen eine „natürliches“ Versteck, finden in der Nähe keines (bzw. es sind alle besetzt) und suchen entsprechend noch weiter weg. Sie ziehen also immer weitere Kreise — und da es noch keine Käfer und Raupen gibt, fressen sie unterwegs dann wieder Schnecken und Regenwürmer. Davon werden sie aber direkt wieder mit Parasiten überfrachtet.
  2. Die Vegetation bietet noch keine Deckung, die Igel bewegen sich somit weitgehend offen und damit schutzlos durch die Gegend.
  3. Gleichzeitig gibt es bereits erste Gartenbesitzer, die mit Gartenarbeiten beginnen — leider. Somit ist die Verletzungsgefahr groß — gerät der Igel in diese Aktivitäten und wird verletzt, ist er dann womöglich zu weit weg, um zu „seinem Garten“ zurück zu finden, wo er Hilfe finden kann.
  4. Bei Weibchen kommt hinzu: Wir erleben in den letzten Jahren immer häufiger viel zu frühe Trächtigkeit mit Würfen teilweise bereits im Februar oder März. Dies ist für die werfenden Weibchen eine große Anstrengung und die Babys können in dieser Jahreszeit auch keine gesunde Insektennahrung kennen lernen. Noch schlimmer daran: Früh werfende Weibchen werden häufig dann im Sommer oder Frühherbst erneut belegt. Ein solcher zweiter Wurf ist dann aber für die Weibchen oft zu viel und sie schaffen es nicht, diese Babys aufzuziehen oder gehen sogar selbst darüber ein. Zu frühe Würfe möchte man daher wirklich vermeiden, etwas, was ein Gehegeaufenthalt bis zum Frühlingsbeginn sicher stellt.
  5. Und schließlich: Als Igelstation möchte man die gesund gepflegten Igel gern noch einmal überprüfen, bevor sie im Frühjahr entlassen werden: Eine Kotanalyse stellt sicher, dass nicht von dem, was das Tier vorher so schlimm krank gemacht hatte, wieder etwas hochgekommen ist.

Was ist das: Faunenverfälschung

Bringt man Tiere lebend in der Natur aus, die nicht dort heimisch sind (= natürlich vorkommen), birgt dies die Gefahr einer Faunenverfälschung. Solche Tiere können die natürliche Artenzusammensetzung am Standort empfindlich stören — beispielsweise weil sie um die vorherrschenden Ressourcen konkurrieren. Sie können als direkte Fraßfeinde die natürlich vorkommenden Arten dezimieren, oder diese durch Wegfutter ihrer Nahrung oder auch durch Belegung von Nistplätzen etc. verdrängen.

Ein Ausbringen von nicht-heimischen Arten ist daher gesetzlich verboten. Dies gilt sogar für gezüchtete Formen von heimischen oder archäobiotischen (vor sehr langer Zeit eingeschleppte und seitdem im Gebiet lebende) Arten wie dem Mehlkäfer (Mehlwurm) oder dem Heimchen.

Wer also nicht Insekten aus der Gartensammlung anbieten kann (Keine Freilandsammlung! Tipp: Im Brennholzstapel suchen, aber nicht alles verfüttern, was man findet), kann auch Kaufinsekten anbieten — diese müssen aber vorher abgetötet werden, beispielsweise indem man sie für einige Zeit in das Gefrierfach packt.

Also es gibt wirklich gute Gründe, die Tiere „regulär“ bis zum Frühling zu halten. Aber ja, natürlich ist das derzeitige Wetter eine Nervenbelastung. Was hilft, ist Ablenkung und Beschäftigung:

Beispielsweise kann man die Fütterung jetzt besonders abwechslungsreich halten: Lebende heimische oder tote bzw. getrocknete Insekten (bei Kaufinsekten: Achtung Faunenverfälschung), verteiltes Futter, mal Ei, mal ein kompletter Hühnerflügel…

All das beschäftigt die Igel in einer Warmwetterphase, in der (im besten Fall vorübergehend) zunächst nicht an ein Wieder-Einschlafen zu denken ist.

Und Stroh in einer geschützten Ecke angeboten dient als Vorrat, aus dem sich der Igel bedienen kann, um sein Haus weiter zu stopfen und neu einzurichten.

Was tun bei längerer Abwesenheit?

Da die reguläre Winterschlafzeit von Igeln recht lang ist, kommt es vor, dass für die Pflegenden des Geheges überraschend eine mehrtägige Abwesenheit ansteht. Ein wacher Igel braucht aber tägliche Versorgung mit Futter und Wasser.

Und auch wenn der Igel noch schläft, muss der Schlaf überwacht werden, denn jederzeit kann das Tier ja aufwachen. Auch solche Anfragen gibt es deshalb regelmäßig:

Ja, aber wir verreisen jetzt doch und sind dann für einige Zeit nicht zu Hause. Der Igel schläft noch. Was sollen wir tun? Sollen wir ihn wecken oder das Gehege einfach öffnen?

Das ist natürlich eine blöde Situation, die immer wieder mal vorkommt. Die beste Lösung: Einen Nachbarn oder eine Nachbarin bitten, die Fütterungen zu übernehmen.

Wenn man (vorübergehend) Trockenfutter füttert, kann man ja sehr gut entsprechend viele Näpfchen vorbereiten, die dann nur zusammen mit Wasser ins Gehege gestellt werden müssen.

Abgedeckter Futternapf im Gehege
Abgedeckter Futternapf im Gehege.

Wenn man das Futter abgedeckt ins Gehege stellt, reicht der netten Urlaubsvertretung ein Blick auf den Deckel, um zu erkennen, ob das Tier auf und am Futter war.

Noch besser: Wenn man eine dieser kleinen Kameras (die gibt es rund um 40,- Euro mittlerweile) aufstellt, die einen Alert aufs Handy senden und über die man auch live ins Gehege schauen kann. Der Nachteil dabei: Es muss ein WLAN bis zum Gehege reichen (Tipp: WLAN-Repeater gibt es um die 34,00 Euro).

So ausgerüstet kann man selbst das Gehege überwachen und die Nachbarn müssen nur ausrücken“, wenn der Igel wirklich wach wird.

Nachtaufnahme einer Igelin in einem Gehege
Nachtaufnahme mit einer Überwachungskamera: Igelin im Gehege aktiv — hier am überdachten Fütterungsplatz.

PS: Und wenn es wieder kälter ist und somit die Voraussetzungen für den Winterschlaf wieder „stimmen“, helfen evtl. diese Tipps, damit das Tier noch einmal in den Schlaf findet.

Kopfbild: Mae Black via Unsplash

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