Der Winterschlaf — eine komplexe Körperumstellung

Winterliche Wildrosenhecke

Der Winterschlaf des Igels ist kein „Schlaf“ an sich, sondern eine sehr komplexe physiologische Umstellung der gesamten Körperfunktionen. Das geht so weit, dass manche physiologische Abläufe sogar umgedreht werden! Dieser hoch komplexe Vorgang wird — entgegen landläufiger Meinung — nicht allein durch Futtermangel ausgelöst.

Vielmehr ist die Basis für die Einleitung des Winterschlafes eine hormonelle Umstellung. Diese wiederum wird durch ein Zusammenspiel mehrerer Einflüsse eingeleitet:

  • Tageslänge,
  • Nachttemperaturen,
  • Futtermangel,
  • Hormonlage

Es ist also falsch zu denken, dass nur EIN einziger Faktor (nämlich die Futterlage) die Winterschlafbereitschaft auslöst!

Oft liest man die Aussage, man müsse unbedingt die Zufütterung im Garten zu einem gewissen Zeitpunkt — womöglich gar rein nach Kalendertag — einstellen, ansonsten fänden die wilden Igel nicht in ihren Winterschlaf. Das ist jedoch grundfalsch und solch ein Verhalten kann Igelleben kosten!

Gesunde Igel finden zum für sie „richtigen“ Zeitpunkt auch dann in den Winterschlaf, wenn im Garten weiterhin Futter bereit steht. Dabei gibt es eine Reihenfolge, welche Igel sich wann zum Winterschlaf zurückziehen:

  1. Zunächst gehen die adulten (= erwachsenen) männlichen Igel in den Winterschlaf. Sie hatten nach dem Paarungen im Sommer bereits ausreichend Zeit, sich das nötige Gewichtspolster für die Überwinterung anzufuttern (ausreichendes Futterangebot vorausgesetzt) und können sich daher als erstes zurückziehen.
  2. Später als die großen Männchen sind die erwachsenen Weibchen dran: Sie haben durch den Sommer hinweg oder sogar noch bis in den Herbst hinein ihre Welpen aufgezogen. Davon sind sie zunächst ausgelaugt (Igelmütter sind hingebungs- und aufoperungsvolle Mamas!) — deshalb brauchen sie mehr Zeit, sich die für einen sicheren Winterschlaf notwendigen Reserven wieder anzufuttern.
  3. Als letztes gehen die Jungtiere in den Winterschlaf. Sie brauchen für ihre Entwicklung noch Zeit, als noch unerfahrenere Tiere mit zunächst keinem eigenen „ertragreichen“ Revier sind sie anfangs vielleicht auch bei der Futtersuche zuerst noch ein wenig benachteiligt und auch einen sicheren Platz für ihr Nest müssen sie ja erst einmal finden.

Hindernisse

Wann es für sie Zeit ist, in den Winterschlaf zu gehen, wissen Igel also instinktiv. Dabei ist dieser Instinkt, dieser Drang zum Winterschlafen so tief verankert, dass es sogar vorkommt, dass selbst Tiere in Päppelhaltung manchmal in die Umstellung zum Schlaf gehen, obwohl sie noch in der warmen Päppelbox untergebracht sind, ja sogar während sie noch medizinisch behandelt werden.

Dennoch gibt es auch Hindernisse auf dem Weg in den Winterschlaf. Die drei häufigsten davon sind:

  • Unterernährung (bei adulten Igeln)
  • Unterentwicklung/fehlende Größe & Gewicht (bei spät geborenen Igelkindern)
  • Überparasitierung (bei allen Altersgruppen)

Allen drei Ursachen lässt sich gerade mit einer zuverlässigen Zufütterung entgegenwirken: Ein Igel, der zumindest einen Teil seines Nahrungsbedarfes sicher gedeckt bekommt, braucht nicht auf Schnecken und Regenwürmer als Notnahrung auszuweichen und ist damit nicht nur geschützt vor Unterernährung, sondern auch vor zu hohem Parasiten-Eintrag (siehe: Fluch der Schnecken & Regenwürmer).

Aller Anfang ist schwer

Oft wird beobachtet, dass sich Gartenigel zunächst für eine Weile — beispielsweise mehrere Tage — zurückziehen, dann aber doch wieder an der Futterstelle auftauchen. Das liegt daran, dass die komplexe Umstellung der Körperfunktionen für den Winterschlaf nicht immer „auf Anhieb“ funktioniert.

Vor dem „Einschlafen“ stellt der Igel zunächst das Fressen ein. Manche fressen von jetzt auf nun nichts mehr, meist verläuft das Einstellen des Fressens aber über ein paar Tage, in denen einfach immer weniger gefressen wird.

Das Gefressene muss noch verdaut werden und der Darm danach leer gemacht. Erst dann kann ein Igel seinen Körper beginnen umzustellen. Er zieht sich zurück, verstopft den Eingang seines Nestes oder Wohnhauses gründlich und wartet darauf, einzuschlafen. Manchmal klappt dies aber nicht gleich.

So tun sich beispielsweise Jungigel beim ersten Mal schwerer als Altigel, weil bei ihnen die notwendige Körperfunktion noch nicht so ausgereift ist, sie noch nicht so hormonstabil sind etc. Aber auch Altigel brauchen öfter zwei oder drei „Anläufe“, bevor die Umstellung komplett gelingt. Es ist daher normal, dass Igel für ein, zwei Nächte mit zugestopftem Eingang verschwinden und versuchen, in den Winterschlaf zu kommen — um dann doch nach zwei Tagen erneut erst einmal wieder fressen zu kommen. Bis sie es wieder einige Tage danach erneut versuchen…

Abdecken von Futterschalen
Futterschalen kann man gut abdecken. Der Igel hebt die Untertasse am überstehenden Rand hoch, um ans Futter zu gelangen.

Daher sollte man immer Futter bereit stellen und wirklich IMMER frisches Wasser, damit ein aufwachender Igel etwas findet.

Wer schläft schon wirklich durch?

Und schließlich kann es auch im tiefen Winter vorkommen, dass die Igel aufwachen. Viele (freie) Igel wechseln im Winter sogar ein- bis mehrmals ihr Nest. Das ist eine Strategie, die hilft, den Druck durch Ektoparasiten wie Flöhe, Milben und Zecken zu mindern! Leider funktioniert das natürlich nur, wenn auch ausreichend geeignete und freie Nestplätze zur Verfügung stehen.

Ein kurzes Aufwachen aus dem Winterschlaf ist also absolut nicht unüblich. Allerdings kostet das Aufwachen und wieder Einschlafen wegen der verbundenen physiologischen Umstellungen sehr viel Energie.

Auch darum sollte eine Wildigel-Futterstelle den ganzen Winter über bestückt bleiben!

Tipp: Wenn man das mit Trockenfutter tut und dieses abdeckt, hält sich das Futter sehr gut und man muss nur alle paar Tage nachsehen.

Kopfbild: Berenike Bonner via Pixabay

Seiteninfo

Veröffentlicht von: am 19. November 2021 @ 18:29 Uhr. Letzte Aktualisierung: 2. Mai 2022 @ 13:59 Uhr.
Kategorien: Allgemein.

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